Die Warteschlangen vor den Labors des Pharmazie-Studiums an der Karl-Franzens-Universität Graz werden immer länger. Allein im Herbst 2012 haben neuerlich 356 Erstsemestrige das Studium begonnen. Die AnfängerInnenzahl hat sich den vergangenen fünf Jahren mehr als verdreifacht und sprengt jede Kapazität. Nun wird die Misere gesetzlich festgeschrieben. Ab Herbst müssen jedes Jahr 390 AnfängerInnen an der Uni Graz aufgenommen werden, obwohl die derzeitige Laborkapazität nur für 60 reicht – eine bittere Pille für die Studierenden und Lehrenden. Die Universität will nun mit einem Maßnahmenpaket und mit Unterstützung der Apothekerkammer die größten Leiden lindern. Die Inhalte wurden am 26. Februar 2013 im Rahmen eines Pressegesprächs vorgestellt.
„Die vorgeschriebenen AnfängerInnenzahlen basieren weder auf den vorhandenen Ausbildungsmöglichkeiten noch berücksichtigen sie die vorhandenen Ressourcen“, ortet Ao.Univ.-Prof. Dr. Martin Polaschek, Vizerektor für Studium und Lehre, eine hohe Belastung sowohl für WissenschafterInnen als auch Studierende. Um auf Basis künftiger Studierendenzahlen die erforderlichen Kapazitäten bereitstellen zu können, müssten vergleichsweise die Fläche des Gebäudes am Universitätsplatz 1, das derzeit generalsaniert wird, bis Ende des Jahres auf etwa 20.000 Quadratmeter verdoppelt und zusätzlich 30 Vollzeit-Stellen geschaffen werden.
Angesichts der schwierigen Situation hat das Rektorat gemeinsam mit dem Institut für Pharmazeutische Wissenschaften und der ÖH Uni Graz ein Maßnahmenpaket geschnürt, das unter anderem die Aufstockung von Laborplätzen und zusätzliche Lehrende umfasst. Die Apothekerkammer stärkt dem Rektorat in seinen Bestrebungen den Rücken und hält die derzeitigen Zustände für nicht tragbar. Um die universitäre Ausbildung für PharmazeutInnen hinsichtlich Qualität und AbsolventInnenzahlen zu verbessern, wird sich die Apothekerkammer stärker einbringen.
Die Inhalte des Maßnahmenpakets:
Aufstockung der Laborplätze
60 Laborplätze können derzeit betreut werden. Durch den Ausbau des Lehrangebots sollen 20 weitere bis zum kommenden Herbst eingerichtet werden. Weiters wird die Auslastung geprüft, um gegebenenfalls freie Kapazitäten im Sommer sowie in Labors von Nachbardisziplinen zu nutzen.
„100 Erstsemestrige könnten gut betreut werden“, fordert Univ.-Prof. Dr. Rudolf Bauer, Leiter des Instituts für Pharmazeutische Wissenschaften, eine drastische Senkung der Zahl, die für die Uni Graz mit 390 AnfängerInnen gesetzlich verankert werden soll.
Katharina Amm, ÖH-Studierendenvertreterin für Pharmazie, findet ebenso klare Worte: „Wir wollen einen freien Zugang zu allen Studien, dieser ist im Moment in Falle von Pharmazie jedoch nur scheinbar offen, da diejenigen Studierenden, die sich die langen Wartezeiten nicht leisten können, gezwungen werden, ihr Studium abzubrechen. Daher sehen wir die Notwendigkeit angepasste Zugangsbeschränkungen einzuführen. Wir halten 100 bis 120 AnfängerInnen für Graz für angemessen.“
Die Studierendenvertretung fordert eine ausreichende Finanzierung der Bildung der zukünftigen PharmazeutenInnen, um die Gesundheit der Bevölkerung zu gewährleisten. Amm beklagt: „Bereits jetzt warten Studierende auf einen Laborplatz bis zu drei Semester. Bei Fortsetzung des Zustroms drohen mehrjährige Warteschleifen.“
Institutsleiter Rudolf Bauer ergänzt: „Das ist Vergeudung von Lebenszeit junger Menschen und zwingt die Universität, mit einer extrem hohen Drop-out-Rate Geld und Ressourcen zu verschwenden.“
Zusätzliche Lehrende
Für die österreichweit 1.370 Pharmazie-AnfängerInnen werden den Universitäten Wien, Innsbruck und Graz im Rahmen der Leistungsvereinbarung mit dem Wissenschaftsministerium zusätzlich gesamt fünf Professuren zur Verfügung gestellt, davon erhält die Uni Graz zwei. „Darüber hinaus sollen in den nächsten Monaten sogenannte Lecturer-Stellen geschaffen werden, die vor allem in den Labors lehren“, versichert Rektorin Univ.-Prof. Dr. Christa Neuper. Das Rektorat plant dazu in den kommenden drei Jahren insgesamt zwei Millionen Euro bereitzustellen. Unter anderem sollen damit zusätzlich etwa sechs Stellen eingerichtet werden.
Der „Flaschenhals“ beim Zugang zu den Laborübungen hindert viele, zügig zu studieren. „Die durchschnittliche Studiendauer für das Diplomstudium Pharmazie hat sich seit 2009 von 11,3 auf 12,2 Semester verlängert“, weiß Ao.Univ.-Prof. Dr. Ursula Athenstaedt, 1. Vizestudiendekanin der Naturwissenschaftlichen Fakultät.
Rückhalt durch die Apothekerkammer
Dr. Gerhard Kobinger, Präsident der Apothekerkammer Steiermark, ist von den politischen Weichenstellungen enttäuscht: „Die gesetzlich vorgeschriebene AnfängerInnenzahl von 390 geht am Bedarf des Arbeitsmarktes völlig vorbei.“ Bis zu 90 Prozent der jährlich mehr als 70 Pharmazie-AbsolventInnen der Uni Graz sind in Apotheken beschäftigt.
In den österreichischen Apotheken werden dringend junge PharmazeutInnen gebraucht. „Wir rechnen weiter mit einem verstärkten Bedarf an Apothekerinnen und Apothekern, da die Aufgaben und Anforderungen an unseren Berufsstand laufend zunehmen“, so Kobinger. Mit der untragbaren Situation um die Laborplätze verschärft sich die Nachfrage nach qualifiziertem Nachwuchs.
Tuesday, 26 February 2013